Ėdison Denisov

*  6. April 1929

†  24. November 1996

von Jana Zwetzschke und Detlef Gojowy

Essay

Ėdison Denisov gehört neben Alfred Schnittke und Sofija Gubajdulina zu denjenigen sowjetischen Komponisten der Nachkriegszeit, deren individuelle Ästhetik einen klaren Gegenentwurf zu den staatlich verfügten und für alle kulturellen Bereiche verbindlichen Doktrinen des sozialistischen Realismus ­darstellte. Durch ihr avanciertes Komponieren widersetzte sich diese »Trojka«, wie sie in der Sowjetunion zuweilen tituliert wurde, der ästhetischen Vereinheitlichung, um die künstlerische Freiheit, der sie sich beraubt sah, zu verteidigen – ja einzufordern. Somit mögen gerade die Anfänge dieser »sowjetischen Nachkriegsavantgarde« oder »neuen russischen Musik« insofern gewisse Parallelen zu der sich etwa zeitgleich formierenden europäischen Avantgarde aufzeigen, als beide Kulturen sich über die rein künstlerisch-musikalischen Erfordernisse der Zeit hinaus im Zeichen einer ideologischen Emanzipation herausbildeten: Während die musikalische Nachkriegsavantgarde in Westeuropa durch die Erfahrung des Nationalsozialismus resp. die Bewältigung der faschistischen Vergangenheit geprägt war und nach neuen, unverbrauchten Ausdrucksmitteln suchte, ist ihre Entstehung in der Sowjetunion bzw. in Russland gegen Ende der 1950er- und zu Beginn der 1960er-Jahre eng mit der Idee der Befreiung von den ideologischen Fesseln der sozialistisch-realistischen Ästhetik verbunden. Der seitens des sozialistischen Systems an breiter Front geführte Kampf gegen »Formalismus«, »Kosmopolitismus« und »Avantgardismus« schürte nur noch ...